Monday, December 15, 2008

Dankbarkeit


Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting


Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting

„Wir tun uns schwer mit dem Danke sagen. Warum?


Die Menschen heute brauchen und wollen immer mehr – und das sofort. Sie haben den Eindruck, sie würden zu kurz kommen. Sie sind unersättlich geworden und können daher nichts mehr richtig genießen. Pascal Bruckner, der franz. Philosoph, beschreibt den heutigen Menschen als Riesenbaby mit unermesslichen Ansprüchen an die Gesellschaft. Er kann nie genug bekommen. Und immer sind die anderen schuld, wenn es einem nicht gut geht. Denn diese anderen geben ihm nicht, was er doch unbedingt zum Leben braucht. Dazu kommt noch die lärmende und betörende Atmosphäre, die uns lautstark ständig einredet, dass uns noch etwas fehlt, und dass wir dieses und jenes noch unbedingt kaufen müssen, wollen wir auf dem Level des heutigen Lebensstandards sein. Diese Sucht nach dem ständigen Mehr haben die Griechen schon als Pleonexie bezeichnet, als Habsucht: Die Sucht, immer mehr haben zu müssen. Wir haben inzwischen ein geradezu neurotisches Verhältnis zum Luxus, zur Ausstattung, zum Wohlstand. In einer solchen Atmosphäre hat der Dank keinen Platz.
Zur äußeren Situation kommt auch noch die Befindlichkeit der Seele. Dankbare Menschen spiegeln etwas wider in der Seele. Aber dieser Spiegel ist zerbrochen. Es fehlt das Selbstwertgefühl; es fehlt an inneren Werten, an einer Orientierung, an einem festen Halt. Der Spiegel der Seele ist beschädigt. Auch die Mobilität, die ständige Hektik, das ununterbrochene Habenwollen, der Stress, das Ausgeflipptsein, das alles zerbricht den Spiegel der Seele. Und so gibt es in der Seele kein Echo für den Dank.
Denken und danken: Dankbarkeit braucht ein Innehalten. ………. Wir setzen uns gleichsam auf eine Rastbank und werden ruhig. Wir können alle Sorgen und Probleme vergessen; erst dann wird sich neben uns auf die Bank die Dankbarkeit setzen. Die Dankbarkeit reicht uns die Hand. Dabei wird uns vieles einfallen, wofür wir dankbar sein dürfen. Auf dieser Bank haben wir nämlich Zeit zum Nachdenken. Denken ist ja sprachlich verwandt mit danken (aus dem indogermanischen Sprachraum, derselbe Wortstamm). Wer nachdenkt, wer zurückdenkt, wer bedenkt, der erinnert sich an Erlebtes.
Denken und danken bedingen einander. Und weil wir eben keine Zeit mehr haben zum Nachdenken, deshalb danken wir auch zu wenig.
Negativ ausgedrückt: Die Undankbarkeit ist die Untugend des Gedankenlosen! Gedankenlosigkeit wiederum liegt im Strom der Zeit. Die Zeitschrift "Psychologie heute" hat in einem Artikel erwähnt, dass in der jungen Generation die Reaktionsfähigkeit, dass schnelles Denken zugenommen hat. Es ist um ca. 30 % gestiegen. Gleichzeitig ist die Fähigkeit, im Hintergrund zu denken und vorauszudenken, gesunken. Der Mensch konzentriert sich auf den Augenblick; es ist der Momentanismus des modernen Menschen. Wenn ich über Hintergründe nie nachdenke, wenn ich nicht zurückschaue in die Vergangenheit und vertrauensvoll in die Zukunft schauen kann, dann fehlt mir der Gesamtblick. Eine solche Konzentration nur auf die Gegenwart bringt eine Oberflächlichkeit mit sich. Hier ist für die Dankbarkeit kein Raum mehr. Dankbarkeit sinkt, wenn alle Dinge selbstverständlich werden. In der Oberflächlichkeit kann ich mir gar nicht bewusst sein über den Geschenkscharakter des Lebens und vieler Dinge im Leben.
Wenn ich zu denken anfange, dann kann ich erkennen, was mir in meinem Leben alles gegeben wurde. Ich werde dankbar für meine Eltern, die mir das Leben geschenkt haben. Ich werde nicht nur dankbar sein für die positiven Wurzeln, die ich von meinen Eltern habe, sondern auch für die Wunden und Verletzungen, die ich von ihnen bekommen habe. Denn auch sie haben mich zu dem geformt, der ich jetzt bin. Ohne die Wunden wäre ich vielleicht satt und unempfindlich geworden. Ich würde den Menschen neben mir in seiner Not übersehen.
Wenn ich zu denken anfange, werde ich auch danken für den Schutzengel, der mich in meinem Leben vor manchem Unglück bewahrt hat; und ich werde meinem Schutzengel danken auch für die Verletzungen, die er in einen kostbaren Schatz verwandelt hat. Danken werde ich vor allem für all die Liebe und alles Wohlwollen, das ich von Menschen, von Freunden auf meinem Lebensweg erfahren durfte.

Am Himmelstor treffen sich zwei vornehme Damen, so erzählt eine Parabel. Sie stellen sich vor: Ich bin die Liebe – ich bin die Dankbarkeit! Beide bedauern: Schade, dass wir uns auf Erden nie getroffen haben – wir sind doch Zwillingsschwestern!

Dankbarkeit schenkt uns neue Augen.
Die ältere Generation tut sich sowieso leichter mit dem Danken. Sie hat die Not erlebt, und die vergisst man nicht so leicht. Man erinnert sich, man denkt daran und man dankt automatisch, dass es einem jetzt gut geht…….

Um Dankbarkeit zu erleben, muss man also zu denken beginnen. Und man muss vor allem das Herz weit machen für die Menschen, denen es nicht so gut geht wie mir. Das ist ein gutes Einüben in die Dankbarkeit. Die konkrete Nächstenliebe, die Hilfe……….

Und noch ein weiterer Aspekt der Dankbarkeit: Dankbarkeit und Religion: Eine Frage, die immer wieder auftaucht: Wofür und wem soll ich eigentlich danken? Nachdem wir ja im Zeitalter der Technik und des Computers leben, scheint ja alles machbar! Die Hybris des Menschen redet ihm ein, dass er sein eigener Herr ist, dass er alles selber machen kann. Dankbarkeit aber kann und will sich immer nur einem DU vorstellen. Ich kann nur einem Du danken. Ich kann nicht zur Materie danke sagen, einem Zufall, dem Kosmos. Dankbarkeit neigt vom Prinzip her zur Religiosität, zum Gebet.
Es ist die edelste Form der Religiosität: Das Dankgebet.

Ein Weiser hat einmal gesagt: "Je näher ein Betender zu Gott kommt, umso mehr wird er ein Dankender". Wir müssen einfach Menschen des Dankes werden, sonst verkümmert unser Leben mit seinen Tagen und Jahren. Der Dank kennt nämlich eine Dimension, die wir nicht übersehen dürfen, die aber stets im täglichen Einerlei ins Vergessen gerät. Jeder Dank – und wenn er noch so klein und unscheinbar ist – hat ein Echo in der Vollendung, im Himmel. Jeder Dank auf Erden hat ein Echo im Himmel und in der Ewigkeit, in Gott. Das ist ein Wunder ohne Grenzen, ein Geheimnis ohne Ende. Und deshalb sollte jedes Gebet, jedes Bittgebet, jede Klage, jedes Loblied enden im Dank. Deshalb ist der Mittelpunkt aller christlichen Rituale und jeglicher Liturgie die Danksagung die Eucharistie.

Ich möchte uns gerade für diese Adventzeit und für das kommende Weihnachtsfest einladen, die Tugend der Dankbarkeit wieder einzuüben. Tugend hängt ja zusammen mit "tauglich sein". Die Tugend der Dankbarkeit macht uns tauglich für ein zufriedenes, für ein glückliches Leben.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein Weihnachtsfest, bei dem wir in besonderer Weise Gott danken für sein großes Geschenk: Für das Geschenk der Menschwerdung Gottes. Und ich wünsche uns ein Weihnachtsfest, bei dem wir wieder mehr und öfters zueinander danke sagen."

Prälat Abt Raimund Schreier




Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting

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Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting


Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting




Foto: D.H.G. Votivtafel / Gnadenkapelle / Altötting

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Danksagungen in Form von
Votivtafeln -»votivus« (gelobt, versprochen)- an der Altöttinger Heiligen Kapelle

Anlass für solche Votivbilder war ein Versprechen, das man – von einer Krankheit geheilt, vor einem Unglück bewahrt oder aus großer Gefahr gerettet – der Altöttinger Muttergottes gab.( „Ex Voto“ –Tafeln) Sie wurden auch als Bitt- oder Dankes-Gabe eingesetzt.




Dankbarkeit ist nicht nur die größte aller Tugenden,
sondern auch die Mutter von allen.

Marcus Tullius Cicero
Der Dank ist für kleine Seelen eine drückende Last,
für edle Herzen ein Bedürfnis.

Georg Christoph Lichtenberg
_____

Der Undank ist immer eine Art Schwäche.
Ich habe nie gesehen,
dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären.

Johann Wolfgang von Goethe
Ich bin dankbar, nicht weil es vorteilhaft ist,
sondern weil es Freude macht.

Seneca
Nicht die Glücklichen sind dankbar.
Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.

Francis Bacon









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