Römische Reiselust
Foto: D.H.G. Aquarell von Hans-Ulrich Schmidt Rom 1998
O wie fühl' ich in Rom...
O wie fühl' ich in Rom mich so froh! gedenk' ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu späh'n, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die Stirne;
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum' ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach! hier lieg' ich und strecke nach deinen Knien die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich!
Wie ich hereingekommen, ich kann's nicht sagen; es faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergib! Laß mir des Irrtums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
Teilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstoße den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab!
"Dichter! wohin versteigest du dich?" Vergib mir! der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später,
Cestius' Mal vorbei, leise zum Orkus hinab!
J.W.Goethe Gedichte Elegien VII
Marmorskulptur der Tyche ( Fortuna ) aus Antiochien / berühmtestes Werk des Eutychides
Römische Kopie nach einem griechichschen Original aus Bronze
(Vatikanische Museen)
( Es zeigt die Göttin auf einem Fels sitzend, bekrönt von einer mit Türmen verstärkten Stadtmauer, den personifizierten Fluss Orontes zu ihren Füßen.)
Foto: D.H.G. Aquarell von Hans-Ulrich Schmidt Rom 1998
Der Chinese in Rom
Einen Chinesen sah ich in Rom; die gesamten Gebäude
Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und schwer.
"Ach!" so seufzt' er, "die Armen! ich hoffe, sie sollen begreifen,
Wie erst Säulchen von Holz tragen des Daches Gezelt,
Daß an Latten und Pappen, Geschnitz und bunter Vergoldung
Sich des gebildeten Aug's feinerer Sinn nur erfreut."
Siehe, da glaubt ich, im Bilde so manchen Schwärmer zu schauen,
Der sein luftig Gespinst mit der soliden Natur
Ewigem Teppich vergleicht, den echten, reinen Gesunden
Krank nennt, daß ja nur er heiße, der Kranke, gesund.
J.W. Goethe
Foto: D.H.G. Aquarell von Hans-Ulrich Schmidt Rom vom St.Peter 1998
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