Wednesday, April 13, 2011

Gläubige und Ungläubige

Foto: D.H.G. Gläubige vor einem Lama-Tempel bei Peking

Foto: D.H.G. Gläubige in einem katholischen Gottesdienst in Oberbayern

Foto: D.H.G. Glöubige vor einer Moschee in Istanbul






“……………………….Und es gibt den…Spruch von Leuten, die sagen:

Ich glaube nur, was ich sehe; denen müsste man Deutsch beibringen. Das ist nämlich nach der deutschen Sprache kein möglicher Satz, kein sinnvoller.

Wenn Sie vor einem Baum stehen – Sie sehen ihn! – und dann sagen: Ich glaube, da steht ein Baum, sind Sie betrunken, oder geistesbehindert oder sonst etwas. Aber was man sieht, glaubt man nicht.

Und da haben wir schon wieder eine Schwierigkeit mit der deutschen Sprache: Wenn ich sage: Was man sieht, glaubt man nicht, bedeutet das nämlich, dass ich das Gegenteil glaube. Wenn der sagen würde, ich glaube nicht, dass da ein Baum steht, dann hieße das, er ist überzeugt, dass keiner da steht. Das macht auf etwas sehr Interessantes aufmerksam, dass die Menschen nämlich nicht “nicht-glauben” können.

Es gibt keine ungläubigen Menschen.

Das ist eine geläufige Unterscheidung, zu sagen: Die Gläubigen und die Ungläubigen, aber es gibt nur Gläubige

und Andersgläubige.

Man könnte provozierend sagen: Jeder, der wirklich persönlich glaubt, ist ein Andersgläubiger, denn keiner glaubt genauso und das, was der andere glaubt. Wie ist das also mit dem Satz:

Selig, die nicht sehen und doch glauben?

Nun, es ist richtig, das Gesehene brauche ich nicht zu glauben. Und es heißt im ersten Satz des elften Kapitels im Hebräerbrief:

“Glaube ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.”

Also ist “glauben” nicht dasselbe wie “sehen”. Aber es steht nicht da, selig, die nicht denken und doch glauben.

Das geht nämlich gar nicht. Ich kann nur glauben, wenn ich etwas verstehe; gemeint ist jetzt einmal glauben an Sätze. Ich muss Sätze für wahr halten oder für falsch und um das tun zu können, muss ich den Satz verstehen.

Einen Kisuaheli-Satz “mtu moje ali kuwa umtin”, der in der Heiligen Schrift steht, können die meisten Deutschen nicht glauben, weil sie Kisuaheli nicht verstehen. Und wir dürfen uns nicht einreden, wir könnten Dinge verstehen, wenn sie nicht in Kisuaheli sind, sondern in Deutsch, aber in einer Sprache, die man doch nicht begreift.

Ich muss nachdenken, um glauben zu können.

Und weiter an diesem Satz: Jesus sagt diesem Thomas ja auch nicht, w a s du gesehen hast, glaubst du, sondern w e i l du gesehen hast, glaubst du. Er brauchte dieses Sehen, um glauben zu können. Das ist der Unterschied

zwischen Wissen, Erkennen und Glauben.

Beim Wissen frage ich nicht nach der Rechtfertigung.

Ich sage nicht: Warum weißt du das, sondern höchstens woher?

Beim Glauben frage ich: Warum?

Für den Glauben b r a u c h e ich Gründe.

Und das ist nun die Gefährdung der Leute, die sich für ungläubig halten, dass sie nämlich meinen könnten, sie bräuchten keine Gründe, weil sie ja gar nichts glauben. Aber das ist verkehrt. Sie glauben auch und das müssten sie begründen. Von daher sind sie keinen Deut in einer besseren Situation. Jedenfalls nicht kritischer als die Glaubenden, eher in der Gefahr, unkritischer zu sein. Weil sie ihren Glauben, wovon sie überzeugt sind, nicht rechtfertigen. Und es ist ganz nützlich, sich deutlich zu machen, dass man auch sich selbst nicht einfach als “Gläubigen” bezeichnen darf. Wir alle sind hoffentlich in großem Maß Ungläubige, denn die Gefahr in unserer Gesellschaft ist keinesfalls , dass zu wenig geglaubt wird.

Es wird viel zu viel und hanebüchener Unsinn geglaubt! Das ist das Problem.

Alles, was in den Medien, Fernsehen, oder von schwafelnden Mitmenschen produziert wird, wird leider oft und leichtfertig geglaubt. Eine große Portion Glaubensskepsis täte jedem Menschen gut und müsste kirchlich begrüßt werden.

Albert Keller SJ

http://www.st-michael-muenchen.de/fileadmin/Redaktion/Kirche/Predigten/Keller2007/Weisser_So._15.04.07.pdf





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