Monday, June 7, 2010

Weinstock

Das Bild des Weinstocks bezieht Jesus auf sich selbst. Er sagt im Evangelium:

„ Ich bin der wahre Weinstock“




Foto: D.H.G. Byzantinische Ikone ( Original im Byzantinischen Museum in Athen )

Christus als Weinstock (Überschrift he ampelos).

oben in der Mitte: Jesus mit einem aufgeschlagenen Buch/ seitlich Apostel

Ikonenwerkstatt in Kalambaka/Griechenland




-Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer.

Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab,

und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.

Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.

Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.

Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.

Wer in mir bleibt, und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.-


Evangelium nach Johannes: Joh. 15, 1-5




Foto: D.H.G. Byzantinische Ikone ( Original im Byzantinischen Museum in Athen befindet)

Christus als Weinstock (Überschrift he ampelos).

Ikonenwerkstatt in Kalambaka/Griechenland






„Im Dekret über die Kirche „Lumen gentium“ hat das Zweite Vatikanische

Konzil festgestellt, die Kirche bedürfe ständig der Buße und Erneuerung. Man

hat das in den lateinischen Satz gefasst: „Ecclesia semper reformanda“ – die

Kirche ist immer zu reformieren. ………..

………………..


Es wird keine tiefgreifende Reform gewagt, die aber notwendig wäre. Wir

haben uns an der Schrift zu orientieren und nicht an alten überkommenen

Strukturen, die wir weiterschleppen, ob sie passen oder nicht….. Die

Vielfalt der Gegenden, die Vielfalt der Traditionen wird nivelliert, eingeebnet.

Einerleiheit ist aber ein Laster. Einerleiheit hilft nicht wirklich zur Einheit. Denn

natürlich: Einheit ist gefordert.

Es ist einer der Grundskandale,

dass die Christen untereinander gespalten sind.




Foto: D.H.G. Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland



Sie sollten eins sein,

ist Schlussbitte Jesu in den sogenannten Abschiedsreden im Johannesevangelium:

„Lass alle eins sein!“.


Aber Einheit geschieht nicht wirklich, wenn Einerleiheit vorausgesetzt wird.

Das Bild eines Organismus steht u.a. bei Johannes.

Da heißt es von Jesus:


Er ist der Weinstock. Wir sind die Reben. ..eine lebendige, eine

wachsende und gewachsene Einheit.

Das ist nicht nur ein anschauliches Bild.

Das ist Basis des christlichen Glaubens an die Erlösung.

Wie geschieht Erlösung? Wegnahme der Sünden ist eines der wesentlichen

Merkmale. Das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt. Wie

werden Sünden weggenommen? Nichts, was geschehen ist, was wir getan

haben unverantwortlicherweise oder unterlassen, nichts kann wieder gut

gemacht werden! Es ist eine falsche Übertünchung. Die Vergangenheit lässt

sich nicht korrigieren. Was immer ich an Bösem getan habe, an Gutem

unterlassen, bleibt getan und bleibt unterlassen!

Wenn das Sünde wäre, das kann nicht weg.

Die Vergangenheit bleibt, wie sie ist. Ein für allemal.





Foto: D.H.G. Agios Nikolaos - geschlossen während eines Generalstreiks / Ägina / Griechenland



Aber im rechten Verständnis sind die Taten und Unterlassungen nur Indizien, nur

äußere Symptome, wie ein Masernausschlag für die Masern, ist unser Tun und

Unterlassen ein Anzeichen wie es denn wirklich um uns steht. Und wie es um

uns steht in der Sünde, heißt, wir sind geprägt von Egoismus, von

Machthunger, von Ehrgeiz, von Habgier.




Foto: D.H.G. Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland



Wir sind nicht fähig zu schrankenloser

Liebe, wozu der Mensch geschaffen ist, was ihm Gott als Ziel eingegeben hat.

Das ist Sünde: Die selbstverantwortete dauernde Unfähigkeit zu lieben. Und die muss weg.



Foto: D.H.G. Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland




Wenn wir aber auf uns schauen, ehrlich, können wir sagen:

Auch die ist nicht weg.

Auch die Christen sind keine besseren Menschen.

Auch die Getauften nicht besser als die Ungetauften.

Auch der Mann, der aus der Beichte kommt, nicht einfach ein neuer, anderer Mensch.

Er bleibt in seinen Gewohnheiten, in seinen Süchten.

Natürlich, er darf sich nicht dahin versteifen.

Aber dass man meint, wir seien irgendwann einmal neu geboren,

wie es in den USA üblich ist, „new born christians“.

Die new-born-Leute sind

dieselben wie die anderen, vielleicht ein bisschen eingebildeter.


Wie also ist Sünde wegzubringen?


Wenn Sünde Lieblosigkeit ist, dann ist die Lieblosigkeit

nur durch Liebe wegzubringen. Durch Liebe, die alles übergreift.


Und das ist, was Jesus zu bringen gekommen ist. Seine Liebe auf alle Menschen

auszudehnen, die aber dann in die Einheit mit ihm müssen. Die nicht mehr

„Ich“ und „Du“ und „der Andere“ sagen, sondern „Wir“, „die neue Einheit“,

„der neue Mensch“.

Die Taufe ist ein Symbol eines neu-geborenen-Werdens.





Foto: D.H.G. Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland





In der Tat „new born“, aber in

diesem Sinn, dass das Taufwasser Christus symbolisiert.

In Christus hinein sollen wir geboren werden.

Und in dieser neuen Einheit leben.

Die wäre wirklich anders als unser gewohntes.

Weil das gewohnte Zusammenbringen immer noch

„Mein“ und „Dein“ und „vielleicht einigt man sich“ ist.

Aber dieses Mein und Dein hat in der Einheit mit Christus

keine Bedeutung mehr.

Nicht einmal so, dass man ehrgeizig sein kann was

Heiligkeit anbelangt, etwa dass man sagt

„Ich möchte ein bisschen heiliger sein als der Andere.“.

Es gibt nur die gemeinsame Heiligkeit,

das gemeinsame

sich Freuen.

Wenn – auch wieder im Bild des Leibes – wenn ein Glied leidet,

leiden alle mit.

Und wenn ein Glied sich freut, freuen sich alle mit.

Da gibt es keine Aufsplitterung.

In diese Situation und Gesinnung hinein müssten wir leben.

Dass wir eine lebendige Einheit mit Christus sind.


Das ist Grund unserer

Erlösung: In diesem Leib zu sein.

Und dann jeder mit seiner Eigenheit.

Nicht glattbügeln und Einerleiheit herstellen,

sondern jeder hat seine Gaben.

Man

könnte sagen:

Jeder Mensch ist unter irgendeiner Rücksicht besser als jeder andere.

Der andere natürlich auch besser als ich, weil er Gaben hat, die ich

so nicht habe.

Und diese Gaben sind nicht zur Selbstbeweihräucherung,

nicht, dass einer sagen kann

„Ich bin der Hochwürden, die anderen niederwürdig“.

Glücklicherweise stirbt diese Anrede „Hochwürden“ allmählich aus.


Alle sind Hochwürden.





Foto: D.H.G. Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland




Nicht der eine mehr und der andere weniger. Das heißt also,

diese Gaben sind unterschiedliche Talente. Der eine hat mehr, der andere

hat weniger. Aber wer mehr hat, braucht sich nichts einzubilden, denn

Talente sind Schulden. Es sind Leihgaben. Damit müssen wir etwas anfangen.

Und was? Wozu diese Talente? Der wichtige Satz hieß:


Die Gaben sind gegeben, damit sie anderen nützen.

Nicht damit ich mich auf einen höheren Sockel stellen kann.

Damit ich Anderen nütze, dazu habe ich die Gaben. Und

darauf muss ich mich konzentrieren und einrichten.

In dieser lebendigen Einheit der Liebe mit Jesus besteht die Erlösung.

Die Kirche ist nur ein Symbol dafür.




Foto: D.H.G. Agios apostoloi / Ägina / Griechenland


Aber sie sollte das symbolisieren, dass da die Unterschiedlichkeit

zusammenwächst und nicht glatt gebügelt wird. Wir müssen uns nicht erlösen.

Die Welt ist erlöst! Es ist nicht unsere Leistung und Aufgabe. Aber Erlösung ist

dennoch nicht etwas Automatisches.


Gott macht uns nie zu Hampelmännern.


Die eigene Entscheidung ist mit gefragt, aber eben nicht so, dass wir die

Leistung der Erlösung erbringen müssten.

Wir müssten uns nur hüten, uns da nicht herauszustehlen aus dieser Einheit heraus.



Die Dummheit von Leuten, die meinen aus der Kirche auszutreten,

weil´s da natürlich Sünde gibt und Bosheit

und Engstirnigkeit, kapieren nicht, dass die Einheit das Entscheidende ist.





Foto: D.H.G. Eingangstor / Agios apostoloi / Ägina / Griechenland




Dass man um alles in der Welt da drinnen bleiben muss.


Aber drinnen bleiben heißt nicht nur, keine Austrittserklärung machen.


Es gibt Etliche in der Kirche, die in Wirklichkeit auch draußen sind.


Nämlich überall dort, wo dieses Grundprinzip

der gemeinsamen Liebe aufgekündigt wird.

Wo man nicht kapiert hat, dass

Jesus gekommen ist, Sünder zu berufen, nicht Gerechte.

Wenn wir Sünder finden in der Kirche,

ist es ein Indiz dafür, dass da die Kirche Christi ist.

Er ist gekommen, Sünder zu berufen.

Und dann wundern wir uns, wenn die da sind,

vom Letzten bis zum Obersten.

Das ist nie ausgeschlossen.

Wenn ich mich aber davon distanziere, wenn ich andere nicht nur be-, sondern verurteile,

wenn ich gehässig bin, dann distanziere ich mich von der Erlösung.

Das ist die einzige wirkliche Gefahr, in der wir stehen.



Foto: D.H.G. Ikone Maria mit Jesus im Weinstock

Ikonenwerkstatt in Kalambaka/Griechenland




Nicht Abkehr von Gott einfachhin.


Von dem kann man sich nicht abwenden, so wenig man wirklich aus der

Kirche austreten kann in dem Sinn, dass man die Taufe loswerden würde.

Getauft ist man immer, und damit gehört man dazu, ob man es will oder nicht.

Aber, ich kann mich aus dieser Einheit entfernen eben durch

Lieblosigkeit und Hass.

Die Distanz von Gott misst sich immer an Distanz zu

Mitmenschen. Wenn ich die zurückstoße, wenn ich mich von denen

distanziere, dann allein verlasse ich diese Einheit. Die aber bedeutet für alle

Menschen Sinn und Glück ihres Lebens. Die lebendige Einheit mit Jesus

Christus in Liebe. Amen.





Foto: D.H.G. Jesus-Ikone / Agios Nikolaos / Ägina / Griechenland


Professor Albert Keller SJ, Predigt in St. Michael München

17.01.2010-C-Johannes Evangelium 2,1-11 / Lesung Jes. 62,1-5, 1. Kor 12, 4-11

http://st-michael-muenchen.de/fileadmin/Redaktion/Kirche/Predigten/Keller2010/A.KellerSJ_Predigt_vom_17_01_10.pdf?PHPSESSID=c6834996265a654d82ecde3de007a117