Sunday, January 25, 2009

Moralische Wüste






Foto: D.H.G. Death Valley /Kalifornien /USA





Foto: D.H.G. Aussicht vom Zabriskie Point / Death Valley / Kalifornien / USA




Foto: D.H.G. Aussicht vom Zabriskie Point / Death Valley / Kalifornien / USA





Risiken und Nebenwirkungen der 68er Kulturrevolution
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Geistig-moralische Ödnis als Ergebnis eines
Erosionsprozesses in unserer Gesellschaft


Der „Mythos Achtundsechzig“ lebt und hat offensichtlich bis heute nichts an seiner Faszination eingebüßt. Sein 40. Jahrestag wird wie ein Tag der Heldenverehrung begangen. Unbestreitbar hat die ,Jugendrevolte’ politisch und kulturell einen tiefgreifenden Wandel bewirkt. Nach 1968 war die Welt nicht mehr dieselbe. War sie aber auch besser? Der Aufstand der Achtundsechziger hat viel bewegt – und noch mehr zerstört. Bereits Edmund Burke mahnte, dass derjenige, der verändern will, immer die Beweislast trägt, dass das Neue tatsächlich besser als das Alte ist. Diesen Grundsatz wollten die Jungrevolutionäre für sich freilich nicht gelten lassen. Ihnen ging es nicht um die Veränderung aus Vernunft, sondern um die Veränderung aus Prinzip.

Am Anfang stand das Aufbegehren der Jugend gegen das Verdrängen und die vermeintlich biedermeierliche Idylle der „miefigen“ Ära Adenauer. Die selbsternannten Gesellschaftsveränderer zogen gegen die Engstirnigkeit und die bürgerliche Spießigkeit der Elterngeneration ins Feld. „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ lautete ihr Schlachtgesang. Im Kampf gegen das Establishment waren eher Pflastersteine denn das Florett die Waffe der Wahl. Passend reimten die Sponti-Dichter: „Der Stein bestimmt das Bewusstsein.“ Mittlerweile sind alle Schlachten geschlagen und die Ex-Kommunarden berauschen sich am Triumph ihrer entgrenzten Revolution. Das Einzige jedoch, was ihr „Feldzug für die Freiheit“ zurückließ, war intellektuelle Einseitigkeit und eine geistig-moralische Ödnis. Lediglich die ideologische Verbohrtheit blühte auf.

Die Protestler leisteten ganze Arbeit: Kaum eine bewährte Ordnung, die ihrem Zugriff entging, kaum jemand, der sich ihrem ,liebenswerten Anarchismus’ entziehen konnte. „Anything goes“ wurde zum Lebensmotto einer ganzen Generation. Die einzigen Pflichten des anständigen Achtundsechzigers bestanden darin, den Staat zu melken, wo es ging, Autoritäten und Konventionen in Frage zu stellen und Tabus zu brechen. Manche mögen dies für eine Errungenschaft halten. Weniger wohlwollend könnte man auch von dem Versuch der Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnung sprechen. Bürgerlichkeit und höfliches Benehmen wurden durch Provokationen, Schamlosigkeit und rücksichtlosen Egoismus ersetzt. Wo einstmals Regeln und Normen dem Leben Orientierung gaben, herrscht heute Beliebigkeit vor. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, die Achtundsechziger hätten einfach alle Werte abgeschafft. Ihre Methode war subtiler. Sie haben nicht entwertet, sondern aufgewertet – und zwar alles. Heute gibt es nichts mehr, was nicht schützenswert oder ,wert’voll wäre. Die Diktatur des Relativismus ist an die Stelle eines festen Wertekanons getreten.

Die ‚Jeder-wie-er-will’-Mentalität wurde auch auf die Familie übertragen. Familiäre Verbindlichkeiten sind verpönt – ganz nach dem Sponti-Motto: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Heute leben gerade einmal noch 39 Prozent der Bevölkerung in einer klassischen Familie – Tendenz stark abnehmend. Das verpflichtungsfreie Single-Dasein hingegen erlebt einen unvergleichlichen Boom. Auch alternative Familienformen – das heißt alleinerziehend, unverheiratet, gleichgeschlechtlich – erfreuen sich wachsender Beliebtheit. In Großstädten wächst bereits annähernd jedes zweite Kind in solchen alternativen Familienersatzstrukturen auf. Wie selbstverständlich nehmen wir es hin, dass mittlerweile jede dritte Ehe geschieden wird. Was einstmals ein Bund fürs Leben war, ist heute häufig nicht mehr als eine auf Zeit angelegte Zweckgemeinschaft zur Gewinn- und Lustoptimierung. Treue, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Selbstaufopferung bleiben dabei auf der Strecke – ist das das „Gute“ an Achtundsechzig? ................................................


Jörg Schönbohm










Foto: D.H.G. Aussicht vom Zabriskie Point /
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